GNSS-Vermessung in „Gauß-Krüger“

Aktualisiert/erstellt am 08.06.2025/06.06.2025 (8619)

Vorwort

Obwohl Gauß-Krüger-Koordinaten in Deutschland schon seit Jahren nicht mehr amtlich sind, tauchen immer wieder Pläne oder Punktlisten mit diesen Koordinaten auf – und das eigene GNSS-Vermessungssystem soll nun damit umgehen können! Für einen „Vermesser” ist das meist kein Problem, für die vielen Anwender aus der Geo-/GIS-Branche oftmals schon.

Hier ein paar Stichworte ohne geodätische Ballast als Vorlage zum Brainstorming, gerne mit uns und für unsere Kunden natürlich kostenfrei 🙂

Warum können Gauß-Krüger-Koordinaten zum Problem werden?

Jedes GNSS-System (Kombi aus Empfänger und Software) liefert in seiner Standard-Einstellung problemlos „UTM„-Koordinaten (ebene X/Y-Koordinaten), die auf aktuelle topographische Karten projiziert und mit Behörden und Auftraggebern ausgetauscht werden können.
Die Erzeugung dieser UTM-Koordinaten ist eindeutig – eine wohldefinierte mathematische Rechenvorschrift mit bekannten Parametern, die für ganz Deutschland (oder auch weltweit) gültig ist.
Ein „schlechtes“ Messergebnis (bedingt z.B. durch mäßigen GNSS-Signalempfang oder fehlende Korrekturdaten) liefert also mathematisch korrekt berechnete UTM-Koordinaten – nur eben ein paar cm oder Meter „daneben“.

Die Erzeugung von historischen „amtlichen“, also passgenauen Gauß-Krüger-Koordinaten aus einer GNSS-Messung ist hingegen nicht mittels einer bundesweit gültigen Rechenvorschrift realisierbar. Dies hat historische Gründe und hängt nicht zuletzt mit regionalen und bundeslandspezifischen Eigenheiten zusammen.

Die Umrechnung von UTM-Koordinaten in Gauß-Krüger (resp. umgekehrt) bezeichnet man als Transformation oder Lokalisation.

Das zweite Problem – die Angabe der korrekten Höhe (NHN-Höhe) – soll hier nicht weiter behandelt werden.

Wie erkenne ich, ob UTM oder Gauß-Krüger-Koordinaten vorliegen?

Auch ohne geodätische Kenntnisse ist auf einen Blick erkennbar, welches Koordinatensystem vorliegt:

UTM: die erste Koordinate (Rechtswert, Ost) hat 6 oder 8 Vorkommastellen. Hat sie 8 Vorkommastellen, fängt sie in West- und Mitteldeutschland mit 32 an, im Osten (z.B. Mecklenburg-Vorpommern) mit 33.

Gauß-Krüger: die erste Koordinate (Rechtswert, Ost) hat 7 Vorkommastellen und fängt mit 2, 3, 4 oder 5 an (von West nach Ost). Beispiele: Ausschließlich „2“ findet man z.B. im Saarland, in Rheinland-Pfalz meistens „3“, in Bayern „4“.

Die zweite Koordinate (Hochwert, Nord) hat in beiden Fällen 7 Vorkommastellen und fängt mit 5 an.

Beispiel identischer Punkte:

     Rechtswert (Ost)   Hochwert (Nord)
UTM     391000,000       5467000,000  in DE gleichbedeutend mit 
      32391000,000       5467000,000
------------------------------------------------
G.-K.  3391032,020       5468747,666

Was mache ich, wenn ich Pläne resp. Koordinatenlisten in „Gauß-Krüger“ erhalte?

Diese Methoden bieten sich z.B. an:

  1. Transformation nach UTM durch den Auftraggeber. Bequem und gleichzeitig die haftungsärmste Methode.
  2. Selbst transformieren nach UTM
    1. im eigenen CAD oder GIS: Mit hoher Genauigkeit („cm“-genau oder besser) kann dies bundesweit und spontan nur (teure) Spezialsoftware leisten. Bei einfachen CAD-und GIS-Anwendungen können Fehler bis in den Meterbereich entstehen, da ein vereinfachter Transformationsansatz eingesetzt wird, der für ganz Deutschland – oder bestenfalls für Nord- Mittel- oder Süddeutschland – gültig ist – aber eben nur mit einer Genauigkeit im Meterbereich.
    2. per (amtlichen) online-Anwendungen oder Software, die von den Katasterämtern einiger Bundesländer angeboten werden
    3. per kostenfreier Software (z.B. gis.makobo.de), nicht für alle Bundesländer (greift auf NTv2-Dateien zu, siehe 3.2.)
  3. Automatische Transformation in der Vermessungssoftware
    1. Hinterlegung bundeslandspezifischer oder regionaler, amtlicher Parametersätze mit 7 Parametern (falls veröffentlicht…) – Stichwort „Helmert-Trafo“ – wird von den meisten Vermessungs-Apps unterstützt. Achten Sie auf die Vorzeichen…
    2. Hinterlegung bundeslandspezifischer, rasterförmig aufgebauter Transformations-Look-up-Tabellen (NTv2-Datei, *.gsb), mit deren Hilfe für jede gemessene GNSS-Position die Gauß-Krüger-Koordinaten intrapoliert werden können. Funktioniert z.B. in Topcon Field ab Version 8.1.
  4. Nutzung spezieller Korrekturdateninhalte, die von einigen Korrekturdatenlieferanten angeboten werden (z.B. AXIO-NET, Leica/Hexagon; SAPOS in einigen Bundesländern).
    Es gibt 2 unterschiedliche Methoden mit Vor- und Nachteilen, s. weiter unten.
    Einige Dienste sind bundesweit ohne Änderung der Konfiguration der Software einsetzbar (z.B. AXIO-NET), andere können nur in bestimmten Bundesländern eingesetzt werden und/oder erfordern ein „Umschalten“ in der Software bei Wechsel von einem Bundesland zum anderen.

    1. Methode „7 Parameter“ – zuverlässig und seit ca. 20 Jahren bewährt (Anbieter z.B. AXIO-NET): Ein Satz von bundesweit einheitlichen 7 Parametern wird in der Vermessungssoftware hinterlegt (siehe 2.1). Durch die Korrekturdaten wird die im Empfänger entstandene Position derart manipuliert, so dass die in der Software berechneten Gauß-Krüger-Koordinaten immer korrekt sind.
      Nachteil: Stellt man während oder nach der Messkampagne fest, dass UTM die bessere Wahl gewesen wäre, ist eine Umrechnung der Koordinaten meist nur über aufwändige Umwege möglich.
    2. Methode „RTCM-Trafo“ – die moderne Methode: Angaben zur Transformation werden in den Korrekturdaten übermittelt, die Transformation erfolgt in der Software. Vor- und Nachteile sind softwarespezifisch. In Topcon Field ist diese Methode reversibel und eine Umrechnung UTM<>GK mit einem Klick möglich.
  5. Die konservative Methode über identische Punkte: Es werden mehrere Kontrollpunkte (Festpunkte), deren Gauß-Krüger-Koordinaten bekannt sind, aufgesucht und per GNSS eingemessen. Daraus berechnet die Vermessungssoftware einen lokalen Transformations-Parametersatz (Lokalisation). Die hiermit bestimmten Gauß-Krüger-Koordinaten können, je nach Arbeitsweise und Zustand der Kontrollpunkte, von ehemaligen amtlichen Koordinaten abweichen.